• Mitglieder des niederösterreichischen Armutsnetzwerkes im soogut-Sozialmarkt St. Pölten

Schau auf Dich. Wer schaut auf mich? Wovor Masken nicht schützen

Mitglieder des NÖ Armutsnetzwerk warnen in einem Pressegespräch im soogut-Sozialmarkt in St. Pölten vor den sozialen Auswirkungen der Krise.

„Die gesundheitliche Bedrohung durch die Covid Krise ist akut und unmittelbar spürbar- die sozialen Auswirkungen zeigen sich verzögert. Armut breitet sich aus, Menschen aus der Mittelschicht sind zunehmend betroffen“, so Barbara Bühler, Obfrau des NÖ Armutsnetzwerks.

Zuhause bleiben und auf sich und andere schauen, dazu braucht es zumindest 3 Voraussetzungen:

Ein Zuhause, „ein Dach über dem Kopf“, Versorgung mit dem Notwendigsten, wie Lebensmittel und die Sicherung existenzieller Bedürfnisse.

„Wie zuhause bleiben, wenn es kein Zuhause gibt?“ Diese Frage stellt Beate Schneider, Mitarbeiterin der Caritas der Diözese St. Pölten am Beginn ihres Beitrags. Leistbarer Wohnraum war für viele Menschen in Niederösterreich schon vor Beginn der Covid Krise schwer zu bekommen. Die Corona Krise wirkt wie ein „Brandbeschleuniger auf die Armutsspirale, die sich nun für immer mehr Menschen, auch aus dem sogenannten „Mittelstand“, immer schneller dreht.“ Eine Wahrnehmung, die Martin Litschauer, Caritas Erzdiözese Wien bestätigt. „ Wir befürchten steigende Armut und Delogierungen wenn nicht rechtzeitig geholfen wird. Vor allem, da in der ersten Krisenzeit gestundete Mieten und Energiekosten nun immer rigoroser eingefordert werden. Erfahrungen früherer Krisen haben gezeigt, dass das ganze Ausmaß an Belastungen erst langsam zum Vorschein kommt. Es braucht jetzt sehr rasche und wirkungsvolle Unterstützung der Sozialhilfe NÖ! Schon jetzt werden viele Menschen durch Spendenmitteln von den Hilfsorganisationen aufgefangen“, so Martin Litschauer.

Die soogut Sozialmärkte sichern „Versorgung mit Lebensmitteln in herausfordernden Zeiten“ so der Geschäftsführer der soogut-Sozialmärkte, Wolfgang Brillmann. Er beschreibt die besonderen Herausforderungen für die Sozialmärkte in den Bereichen Personal, Lebensmittelversorgung und Kooperationen: Bereits eingeschulte ehrenamtliche MitarbeiterInnen konnten während des Lockdowns nur bedingt mithelfen, da viele altersbedingt zur Risikogruppe gehörten und aufgefordert wurden zuhause zu bleiben. Gleichzeitig war die Versorgung mit Lebensmitteln für viele Menschen besonders wichtig. In dieser Zeit konnten bestehende Kooperationen bestärkt werden und auch Neue entstehen.. Die soogut Sozialmärkte werden derzeit verstärkt in Anspruch genommen. „Wir rechnen damit, dass der KundInnenzustrom weiterhin zunimmt. Umso wichtiger ist Kooperation und Zusammenhalt innerhalb der bestehenden Einrichtungen“, so Wolfgang Brillmann.

Im Hinblick auf die Sicherung existenzieller Bedürfnisse geht Maria Nirnsee, von arbeit plus NÖ, auf die Herausforderungen für erwerbsarbeitslose Menschen ein: Die schon zuvor hohe Langzeitbeschäftigungslosigkeit drohe sich zu verfestigen bzw. noch zu erhöhen. Diesbezüglich gelte es aktiv gegenzusteuern, denn „Arbeit ist identitätsstiftend und ein Grundpfeiler unseres Lebens.“, so Maria Nirnsee. Von der „Ruhe vor dem Sturm“ spricht Michael Lackenberger, Schuldnerberatung NÖ. Die Erfahrung aus vergangenen Krisen hat gezeigt, dass  „der Run auf die Schuldnerberatung kommt. Verzögert. Aber er kommt.“ Aktuell verhindern befristet bestehende Regelung das Schlimmste: Delogierungen sind ausgesetzt, Kredite, Mieten und Abgaben können gestundet werden. Doch spätestens im Frühjahr 2021 werden viele Gläubiger offene Beträge fällig stellen und es ist zu befürchten, dass viele diese Forderungen dann nicht begleichen können.

Die Mitglieder des NÖ Armutsnetzwerks betonen, dass es nur gemeinsam gelingen kann diese Krise zu bewältigen. „Es gilt jetzt Bausteine sozialer Sicherheit weiterzuentwickeln, krisenfest zu machen und bestehende Lücken zu schließen“ ,so Barbara Bühler abschließend. „Durch das Schließen von Versorgungslücken, wie zum Beispiel bei der Sozialhilfe in NÖ, den Abbau bürokratischer Hürden, die Orientierung an vorhandenen Daten, wie den Referenzbudgets der Schuldnerberatung, der Sicherstellung von Beratung unabhängig von digitaler Infrastruktur und auch in Zeiten von social distancing und last but not least der Verankerung „Sozialer Menschenrechte“ als Verfassungsrechte.“